1. Wo engagieren Sie sich?
Als Gründungsmitglied des Vereins türkischer Elternbund Schwerte e.V. bin ich seit 2004 aktiv ehrenamtlich tätig. Der Verein setzt sich für die Chancengleichheit der Kinder mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem ein. Der maßgebliche Zweck des Vereins ist es, zur Förderung und Entwicklung der Persönlichkeit von Migrantenkindern beizutragen. Räumlich sind wir in der Theaterhalle 5,4 untergebracht. Unsere Projekte sind sehr vielseitig aufgestellt, nur um einige Beispiele zu nennen - Rucksackprojekt (Sprachprojekt in den Kindergärten –belohnt mit einem Innovationspreis-), Einbindung des muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts an den Grundschulen, Bewerbungstrainings, Schwimm,-und Sportkurse für Frauen, Folkloregruppe für Kinder und Jugendliche, Gemeinschaftsprojekt mit dem Elternnetzwerk „Mein Beruf meine Zukunft“, das internationale Kinderfest das erstmalig in Schwerte ins Leben gerufen und seit dem auch jedes Jahr stattfindet und an dem wir als als Kooperationspartner mitwirken, die aktive Zusammenarbeit mit der AG Schwerter Frauengruppen, sowie Vermittlungsgespräche zwischen Eltern, Schulen und Behörden.
2. Wie sind Sie an diese ehrenamtliche Tätigkeit gekommen?
An dieser Stelle würde ich gerne etwas weiter ausholen. Ich bin eine geborene Türkin aber eine gelebte Schwerterin. Ich gehöre einer Generation an, deren Eltern als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen aber nie in Deutschland angekommen sind, d.h. unsere Eltern waren lediglich Gastarbeiter die nach kurzer Zeit in ihre Heimat zurückkehren wollten. Aus Sicht der Politiker sollte ja auch deren Aufenthalt nur von befristeter Dauer sein und somit ist ja auch viel versäumt worden in Sachen Zusammenleben und Integration.
Mein offizielles ehrenamtliches Engagement fing schon während meiner Abiturzeit an, als ich für den damals ersten Ausländerbeirat in Schwerte, jetzt Integrationsrat kandidiert habe. Als stellvertretende Vorsitzende habe ich im kleinen Rahmen einen Einblick darüber bekommen wo man bei der Integrationsarbeit ansetzen kann und wie die Interessen meiner in Schwerte lebenden Landsleute vertreten werden können, ohne die Möglichkeit eines politischen Wahlrechts.Davor habe ich beim „Internationalen Frauencafe“ - ein Projekt von der Gleichstellungsstelle, Dolmetscheraufgaben übernommen, da diese Treffen von vielen türkischen Frauen ohne Deutschkenntnisse besucht worden waren.Für viele Bekannte meiner Eltern war ich sehr oft die erste Anlaufstelle wenn Briefe von Ämtern beantwortet oder einfach nur übersetzt werden sollten. Obwohl ich zu der Zeit selbst keine schulpflichtigen Kinder hatte, wurde ich von vielen Eltern um Hilfe gebeten wenn ihre Kinder mit Problemen in den Schulen konfrontiert worden waren. Ich war seit meiner Jugend schon immer sozial engagiert, im Grunde bin ich mit dem sozialen Engagement aufgewachsen.Die Idee zur Gründung des Vereins kam jedoch von meiner sehr guten Freundin, Tülay Uyar, weil sie der Meinung war, für alles Mögliche werden Vereine gegründet aber eine Interessenvertretung für Eltern und Kinder mit türkischen Wurzeln gibt es nicht.
Von einer aktiven Elternarbeit am Schulleben ihrer Kinder hat meine Generation leider nicht viel profitieren können. Die schulische Bildung war für die Eltern zwar sehr wichtig aber es fehlte ihnen an gesellschaftlicher und politischer Unterstützung und an Bildungsbewusstsein. Genau an diesen Punkt setzte unsere Vereinsarbeit an. Durch viele Projekte in Kooperation mit dem Elternnetzwerk NRW und der Föderation türkischer Elternvereine haben wir gezielt auf die Förderung der Eltern und deren Kinder gesetzt.
3. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich für Ihr Projekt wünschen?
Wir sind ein Verein mit einem sehr jungen Vorstand. Die Vereinsarbeit ist sehr zeitintensiv, viele Ideen können wir nicht verwirklichen da die Vorstandsmitglieder beruflich und familiär stark eingebunden sind und die Arbeit meist auf wenigen Schultern lastet. Es wäre ein Wunschtraum von mir eine feste Verwaltungskraft für die Sachbearbeitung zu haben, damit wir uns auf die Ausarbeitung der Projekte konzentrieren können und natürlich viel mehr engagierte Eltern und Kinder begeistern können die auch davon profitieren. "Tue Gutes und rede darüber" diesen Wahlspruch haben wir leider noch nicht in unserem Engagement integrieren können. Von vielen Aktivitäten und Projekten erfährt die Öffentlichkeit sehr wenig.
In den letzten Monaten sind viele Migrantenselbstorganisationen aufgrund der politischen Vorkommnisse in der Türkei durch einige Akteure aus der Politik sowie aus der Zivilgesellschaft öffentlich angeprangert worden. Viele dieser Vereine haben unermüdlich seit Jahren im Bereich der Integration und des Zusammenwachsens der Kulturen in Schwerte ihren Beitrag von unschätzbaren Wert geleistet. Ich hätte mir mehr Solidarität mit diesen aktiven Schwerter Bürgern gewünscht stattdessen wurde auf Polarisation und Kritik gesetzt. Dies hat bei vielen, die sich eigentlich als ein Teil dieser Gesellschaft gefühlt haben, ein Gefühl des Nichtwillkommens hervorgerufen. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass unsere Bemühungen und unser Engagement zu einem Miteinander nicht durch solche Vorfälle überschattet werden.
4. Haben Sie eine Philosophie oder eine Vision, die hinter Ihrem Engagement steht?
Wenn ich in den ganzen Jahren auch nur einem Kind in seiner Schullaufbahn helfen konnte dann hat sich die jahrelange Mühe für mich schon gelohnt.
5. Was meinen Sie persönlich in welchem Bereich Schwerte neues Engagement und neue Projekte gut gebrauchen könnte?
Das soziale Engagement in Schwerte ist sehr breit gefächert, jedoch sehe ich im Jugendbereich immer noch Defizite. Eine genaue Vorstellung wie und wo in diesem Bereich etwas angegangen werden könnte habe ich im Moment noch nicht, würde ich aber für uns auch nochmal als eine Herausforderung sehen der wir uns stellen sollten.